Teil 2 – Außenspieler
„Trickser, Flitzer, Spezialisten – all dies sind Synonyme für die Spielerinnen und Spieler, die auf den Außenpositionen beim Handball auftauchen. Der vermeidlich größte Gegner des Außenspielers ist der Torhüter. Durch das stark verbesserte Stellungsspiel der Torhüter müssen die Außenspieler auf immer mehr kreative Wurfvariationen zurückgreifen. Aber auch athletische Voraussetzungen wie Sprunghöhe, Sprungweite und Schnelligkeit sind entscheidend für die Klasse eines Außenspielers. Wie genau das Anforderungsprofil aussieht und welche Trainingsschwerpunkte gesetzt werden müssen, schauen wir uns nun an.“
Auch für die Außenposition lassen sich die positionsspezifischen Anforderungen definieren:
AFB | ATHLETIK | TECHNIK/ TECHNIK- ERWERB | TAKTIK/ GEGNERORIENTIER-UNG |
1 | Sprungkraft(Anlauf, Absprung | Ballan- nahme (Präzision, Höhe, beidhändig) | Kompetenzen für Gegneranalyse (Abwehr, Angriff, Tempospiel) |
2 | Schnell- kraft(Ganzkörperschnelligkeit, Startposition) | Anlaufoptimierung (Timing) | Beobachtung des Torhüterverhaltens (Zustellen, Stellungsspiel, Abwehrreaktionen) |
3 | Koordina- tions- schulung(Anlauf, Absprung) | Absprung- optimierung(Absprunghöhe, Flugphase) | Entscheidungsfähigkeit (Abschluss, Weiterspielen) |
4 | Grund- lagenaus- dauer (Schnelligkeitsausdauer und Belastungstests) | Wurfvarianten (Dreher, Heber, Leger) | Anwendung situations- gerechter Technik (Abwägen zwischen „Risiko“ und „Sicherheit“ – wann der Trickwurf?) |
AFB = Anforderungsbereiche
Quelle (abgeändert aus): Kromer, 2015: Positionstraining.
In der oben aufgeführten Tabelle wird deutlich, dass einige Fähigkeiten in den jeweiligen Anforderungsbereichen nur wenig zu denen der Rückraumspieler variieren. Schnellkraft, Sprungkraft und Grundlagenausdauer sind z.B. ebenfalls im Anforderungsprofil eines Außenspielers vorhanden, haben aber sicherlich einen anderen Stellenwert. Deutlich wird, dass die Position des Außenspielers im Technikerwerb und im Bereich der Gegnerorientierung ganz andere Fähigkeiten verlangt als beispielsweise die eines Rückraumspielers.
LINIENAUßEN VS. ECKENAUßEN
Auch diese beiden Begrifflichkeiten fallen im Handballsport nicht selten. Doch was genau hat es damit auf sich? Die klassische Grundposition, so wie es einem jedem Außenspieler vermittelt wird, ist die in der äußersten Spielfeldecke. Hier fungiert der Außenspieler als reiner Abschlussspieler und ist kaum in den Spielaufbau mit eingebunden. Diese Position wird als Ecken-Außen bezeichnet und hat oftmals taktische Hintergründe: Durch die breite Ausgangslage werden die Räume zwischen 1 und 2 (Außenverteidiger und Halbverteidiger) größer, sodass sich insbesondere für Rückraumspieler, aber auch für Kreisläufer größere Aktionsräume bieten.
Nicht immer ist diese „klassische“ Grundposition erfolgreich, weshalb eine Alternative hierzu die Linienaußen-Position bildet. Durch die Einnahme der Linienaußen-Position eröffnen sich völlig neue Räume und Spielideen.
Im Optimalfall gelingt einem Team ein Wechsel zwischen beiden Varianten, je nach dem wie die taktische Ausrichtung, die Gegneranalyse und das In-Game-Coaching ausfallen.
EXKURS 1: TAKTISCHES VERHALTEN BEI ÜBERGÄNGEN
Im Regelfall erfolgt ein Übergang einer Außenposition durch Ansage bzw. Steuerung der Rückraumpositionen. In diesem Fall wird eine Auslöserhandlung initiiert, bei welcher die Außenspieler ihre Grundposition verlassen und in die Nahwurfzone einlaufen. Zum Anforderungsbereich Taktik gehört jedoch auch, wie oben bereits aufgeführt, die eigenständige Beobachtung und das daraus resultierende situative Entscheidungsverhalte. Gemeint ist hiermit, dass die Außenspieler in der Lage sind, eigenständig Situationen zu erkennen, in denen ein Einlaufen in die Nahwurfzone sinnvoll erscheint. Dieses Übergehen erzeugt oft ein Überraschungsmoment und ist gerade bei offensiv ausgerichteten Abwehrreihen oder im Tempospiel erfolgsbringend. Hiermit eröffnet sich ggf. ein neuer Trainingsbaustein, welches den Außenspieler mindestens über ein technisches „Mini- Repertoire“ verfügen lässt. Trainingsschwerpunkte hierbei könnten das Sperrsetzen, das Sperre-Halten und variable Ballannahmen sein.
EXKURS 2: ANFORDERUNGEN IM (GRUPPEN-)TAKTISCHEN ZUSAMMENSPIEL
Immer häufiger entsteht folgende Situation: Ein Abwehrspezialist (meist KM-Spieler) geht mit ins Tempospiel. Folglich entsteht im Angriffsspiel ein 2:4 System, bei dem mindestens einer der KM-Spieler relativ breit steht. Dies bedeutet, dass sich dieser im Aktionsraum des Außenspielers befindet. Die Außenspieler sollten in diesem Fall über entsprechende Kompetenzen in der 2:2 Kooperation verfügen. Individuelle Trainingsbausteine hier könnten Kleingruppenspiele mit Elementen der Anspielvariation/Anspielfähigkeit sein.
MUST-HAVE-EXERCISE Außenspieler für den eigenen Trainingskatalog
Übung Technikerwerb – „Basiswurf“
Die Spieler befinden sich auf ihren jeweiligen Außenpositionen. In der Spielfeldecke steht eine Kastenteil, welches als „Anspieler“ dient. Die Spieler starten nun aus unterschiedlichsten Positionen (Sitzend, Kniestellung, von einer Kiste etc.) und bringen ihren Ball gegen den Kasten. Sobald der Ball abprallt, startet der Spieler in den Antritt und nimmt den Ball möglichst einhändig auf, um folglich abzuschließen. Diese Übung bietet jedoch eine Reihe an Variationen. Der Spieler kann aus folgenden Positionen starten: Sitzend, auf der Kiste sitzend, Kniestand (vorderes Bein immer Sprungbein), aus einer Turnübung heraus. Allein hier werden verschiedene Bereiche trainiert.
Welche Elemente aus unseren Anforderungsbereichen können hier geschult werden?
1. Sprungkraft
- Kniestand/ von Kiste = Schwungbeineinsatz, Flugphase
2. Schnelligkeit
- Sitzend = tieferer Körperschwerpunkt, erster Bodenkontakt muss zur Beschleunigung genutzt werden
3. Koordinationsschulung
- vorgeschaltete Turnübung = Orientierung im Raum & Folgehandlung
4. Ballannahme
- Kastenoberteil = Rebounder kommt immer unterschiedlich
5. Anlaufoptimierung
- Sitzend = optimale Beschleunigung muss erzielt werden
6. Absprungoptimierung
- Kniestand = optimaler Absprungort schwierig zu finden
7. & 8. Beobachtung des Torhüterverhaltens &Anwendung situationsgerechter Technik
- Torhüter/ Signale = Reaktion Wurf
Es wird also deutlich: Eine simple Übung kann durch Variationen unterschiedliche Anforderungsbereiche abdecken. Unbewusst geschieht es vielleicht, dass man automatisch mehrere Bereiche abdeckt. Dennoch lässt sich auch bewusst, z.B. durch das Einbringen verschiedener Voraufgaben, ein bestimmter Baustein schulen.