Teil 1 – Rückraumspieler
„Teamleistung im Handball setzt sich aus der individuellen Einzelleistung auf den jeweiligen Positionen zusammen. Eine positionsspezifische Ausbildung von Spielerinnen und Spielern gilt somit als Grundlage für den Teamsport Handball. Die folgende Reihe soll neben den Anforderungsprofilen für die jeweilige Position immer auch eine spezifische Übung aus dem Aufbautraining aufzeigen. Den Anfang machen die RÜCKRAUMSPIELER.“
Eine Studie der Handball WM und EM aus den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2015 zeigt die Verteilung der erzielten Tore. Mit einbezogen wurden hier folgende Parameter: Gegenstoß Tore, Kreis Tore, Außen Tore, Breakthrough (Durchbruch), Siebenmeter und Rückraum Tore. Die Studie zeigt: Mit 28,5 % (2015) der erzielten Tore bilden die Rückraumspieler den größten Anteil in der Verteilung der Tore. (vgl. Kromer, 2015, S.11).
Anforderungsbereiche
AFB | ATHLETIK | TECHNIK/ TECHNIKERWERB | TAKTIK |
1 | Maximalkraft (Muskelmasse etc.) | Hohe Passqualität (Breite und Tiefe des Spielfeldes ausnutzen) | Kompetenzen für Gegneranalyse (Abwehr/Angriff/ Individualisten) |
2 | Schnellkraft (Ganzkörper- schnelligkeit und Wurf- und Sprung- kraft) | Richtungsänderung/ Täuschungen(AIM, Tempowechsel) | Taktische Lösungskompetenz im freien Spiel (Fähigkeit, individuell und situativ Lösungen zu kreieren) |
3 | Handlungs- schnelligkeit (Abläufe gezielt und schnell abrufen) | Optimierung der Wurfarmhaltung/Wurfarmausführung(AIM-Position) | Entscheidungs-fähigkeit (Abschluss, Weiterspielen, Anspiel etc.) |
4 | Grundlagenaus–dauer (Schnelligkeitsausdauer und Belastungstests) | Schlagwurfvarianten und Sprungwurf- varianten |
AFB = Anforderungsbereiche
Quelle (abgeändert) aus: Kromer, 2015, Positionstraining.
Die Tabelle zeigt deutlich, dass die drei Anforderungsbereiche mehrere Fähigkeiten mit sich ziehen. Nicht jede dieser Kompetenzen kann gleich schnell, geschweige denn gleich „gut“ erworben werden, dennoch gelten sie als Schlüsselkompetenzen um „Spezialist“ auf seiner Position zu werden.
Im Folgenden splitten wir das Anforderungsprofil des Rückraumspielers in zwei weitere Bereiche: Abwehr und Angriff.
AFP | ABWEHR | ANGRIFF |
1 | Variabilität und Aktivität (Antizipieren, Beweglichkeit) | Explosivkraft (dynamische 1:1-Bewegung, schnelle Richtungs- änderungen) |
2 | Kooperationsfähigkeit (Zusammenarbeit mit Neben- verteidiger, Aushilfsverhalten, Abwehrverbund, Abwehrdreieck) | Wurfhärte und Wurf- variabilität (Wurfgenauigkeit, Präzision, Härte) |
3 | Umschaltfähigkeit (Tempospiel, Temposteuerung) | Passqualität (Ballbehauptung, Technik, Präzision) |
4 | Ballführung und Steuerung des Tempospiels (Entscheider, Spielfeldüberblick) | Variabilität in der Durchsetzung (verschiedene Finten, Drehungen im Spiel 1vs1) |
5 | Taktische Lösungskompetenz im laufenden Spiel (Überblick, Entscheidungsverhalten) |
AFP = Anforderungsprofile
Quelle (abgeändert) aus: Kromer, 2015, Positionstraining.
Diese Unterteilung zeigt, dass sich die Anforderungsbereiche aus der ersten Tabelle (Athletik, Technik und Taktik) hier wiederfinden. Dementsprechend sind die Fähigkeiten der drei Anforderungsbereiche sowohl für ein erfolgreiches Abwehr- als auch Angriffsspiel entscheidend.
Positionseinteilung
„Ausnahmeposition RM – Spielmacher“
Den klassischen „Playmaker“, so wie es ihn früher einmal gab, gilt heute nicht mehr als Grundvoraussetzung. Durch das viel schnellere Spieltempo und die höhere taktische Ausrichtung des Handballsports, sollte ein jeder Rückraumspieler in der Lage sein, die RM Position zu besetzen. Denn: Durch die ständigen Auslöser-Handlungen verändern sich die Positionen im Rückraum ständig und ein voriger RL/ RR, fungiert folglich als RM Spieler. Sicherlich gibt es jedoch Spieler, die über eine höher ausgeprägtes Spielverständnis verfügen als andere und demnach geeignet für die Spielsteuerung sind. Hier gilt es also zu beobachten, denn der „Trend“ variiert durchaus. Gerade bei den Spitzenteams wie dem THW Kiel oder Paris Saint Germain wird deutlich: Spieler wie Mila Zarabec und Luc Steins erfüllen diese Rolle des klassischen Playmakers wieder.
„Königsposition RL – Shooter“
Auch diese Floskel und Rollenzuschreibung ist im Handballgenre nahezu jedem bekannt. Dennoch gilt: Auch hier haben sich die Ansichten durchaus verändert. Spieler und Spielerinnen der Rückraumlinks-Position sollten sicherlich über eine gute Wurfhärte und Sprungkraft verfügen, um durch einfache Kreuzbewegungen ihrer einseitigen Rolle als „Shooter“ gerecht werden zu können. Dennoch wurde mit den Jahren deutlich, dass auch die Beweglichkeit und Variabilität im Durchsetzungsvermögen unabdingbar ist. Gerade um die aufkommenden Räume (zwischen 1:2, 2:3) zu attackieren, sind verschiedene Finten und athletische Dynamik von hoher Bedeutung.
„Variable Position RR – Lefthand?“
Die RR- Position wird im heutigen modernen Handballsport überwiegend von Linkshändern besetzt. Für das individuelle Angriffsspiel des RR und der Wurfauslage ist diese Besetzung durchaus sinnvoll und zielführend. Dennoch: Auch eine Rechtshand ist auf dieser Position nicht „Fehl am Platz“, so wie es oftmals von vielen heißt. Gerade für das Abräumen über die RA-Position können Rechtshänder von Vorteil sein.
MUST-HAVE-EXERCISE Rückraumspieler
(für den eigenen Trainingskatalog)
Einfaches Passkontinuum
Die Spieler besetzen die Positionen LA, RL, RR und KM. Zwei Torhüter stehen im Torraum neben den Pfosten. LA und KM haben einen Ball. LA bringt den Ball über eine Stoßbewegung zur Mitte ins Spiel zu RL. Dieser agiert ebenfalls mit einer Stoßbewegung Richtung Mitte, bricht nach erhalten des Balls mit einem Prellmove ab und spielt den Ball zum diagonalen KM. RR startet mit seiner Lauftäuschung nach Außen sobald RL den Pass erhalten hat. Im Anschluss geht er über die Mitte, erhält von KM ein Anspiel und spielt den Ball als Sprungwurfpass zum nächsten Spieler auf LA. Der Ablauf beginnt von vorne. Die Passübung dient zur Steuerung des Anlauf- und Passtimings. Lauftäuschungen sollen passend ausgeführt werden und alle Stoßbewegungen mit Ausrichtung zum Tor. Die Übung kann auch mit zwei Torhütern ausgeführt werden. In diesem Fall würde RR seinen Ball zum diagonalen TW passen, RL ebenfalls. Die Torhüter würden dann wieder LA und KM einsetzen.