Aus aktuellem Anlass der Handball-WM in Kroatien, Dänemark und Norwegen schauen wir in diesem Artikel einmal, wie es denn die Profis in der Praxis machen. Das Spiel ist für den Zuschauer oftmals so schnell, so dass während noch überlegt wird, wie dieser Torwurf nun zu Stande gekommen ist, bereits schon wieder der Gegenangriff startet.
Daher werden hier aus dem ersten Gruppenspiel der Deutschen gegen Polen beispielhaft zwei gelungene Angriffsaktionen der Polen schrittweise erklärt und die jeweiligen Spielsituationen grafisch dargestellt.
Angriff 1:
1)
Die Auftakthandlung der Polen gegen die offensive 6:0 der deutschen Mannschaft beginnt mit einem Kreuzbewegung von Rückraum Mitte und Kreisläufer (1). Dies geschieht noch sehr weit weg von der Abwehr und in einer moderaten Geschwindigkeit. Im Anschluss an das Kreuzen wechseln Rückraum Mitte und Rückraum Links die Position (2).
Der Kreisläufer spielt den Ball zu Rückraum Rechts (3) dieser spielt ihn, ohne großen Druck auf die Abwehr, zum auf die Mitte laufenden RL (4). Der Kreisläufer nimmt seine Position zwischen IL und HL ein (5).
2)
RL (auf Rückraum Mitte) beginnt unmittelbar nach Ballerhalt ein leeres Kreuzen mit RM (auf Rückraum Links). Er zieht in Richtung IR (6) und passt den Ball zum nach innen laufenden RR (7). RR nimmt noch nicht sein volles Spieltempo auf, übt aber Druck auf HL aus (8), während RL und RM mit dem leeren Kreuzen wieder die Positionen tauschen (8). Aus der 2:2 Situation RR und KM hat sich nichts ergeben, somit erhält RM nach dem Kreuzen den Ball von RR auf der Mitte (9).
3)
RM spielt den Ball unmittelbar weiter zu RL (10), währenddessen hinterläuft KM die Abwehr und positioniert sich an der Innenseite von IR (10). RL zieht nun in vollem Tempo nach innen auf die Schnittstelle zwischen HR und IR (11). RR hat sich inzwischen wieder auf seine Position zurückgezogen. Die Besonderheit hier liegt am Verhalten des Abwehrspielers HL. Er beginnt bei der Aktion des RL seinen Gegenspieler auf RR offensiv abzudecken (11).
4)
RL wird von HR aufgenommen und spielt den Ball direkt weiter zum anlaufenden RM (12). Während dessen hinterläuft RR den seinen offensiven Gegenspieler (12). KM hält seine Position an der Innenseite von IR. RM übt Druck auf das Tor aus, so dass IL gezwungen ist, herauszutreten (13), findet aber den an den Kreis übergegangenen RR (14). AL versucht noch zu helfen (14), doch RR kann vom Kreis mit Torwurf abschließen (15).
RR hat hier schnell reagiert, als er erkannt hat, dass sich hinter dem offensiven Deckungsspieler HL eine Lücke aufgetan hat und es die Möglichkeit gibt, an den Kreis zu laufen. Bei einem defensiveren HL hätte der Angriff dennoch die Möglichkeit bekommen können, bis zum RA durchzuspielen.
Option 1: RM bindet IL und HL und kann somit eine Überzahl auf der rechten Angriffsseite schaffen.
Option 2: RM wird von IL offensiv angegangen, KM kann die Sperre halten und ist somit frei für einen Pass.
Option 3: RM übt Druck aus, IR und IL lösen jedoch die 2:2 Situation mit KM. RM passt zu RR und KM hat die Möglichkeit hinter den offensiven Deckungsspielern IL und HL nachzulaufen.
Angriff 2:
1)
RR passt den Ball zum hochlaufenden RA (1). Während dessen kreuzen RM und RL auf der anderen Seite ohne Ball (2). KM hat sich an der Außenseite von IL positioniert.
2)
RA wird bei seinem Vorstoß über RR in mittlerem Spieltempo offensiv von HL verteidigt und passt den Ball zu RL (auf Rückraum Mitte). Dieser vollzieht ein Kreuzen in vollem Spieltempo mit RM (auf Rückraum Links) in der Schnittstelle zwischen IR und HR (4). RA läuft wieder auf seine Position (5). RR steht breit an der Außenlinie.
3)
RM spielt nach dem Kreuzen den Ball parallel auf den anlaufenden RR (6). Diesem gelingt es, auch bedingt durch die Sperre des KM zwischen HL und AL zu stoßen (7). AL muss helfen (8), RR spielt den Ball auf RA (9) und dieser kann mit Torwurf abschließen (10).
Obwohl sich nach dem Pass von RM zu RR eigentlich eine 3:3 Situation ergeben hat, gelingt es dem Angriff am Ende auf den freien RA zu spielen. Grund hierfür ist die Angriffsaktion des RA. Er bindet zunächst HL und läuft dann wieder auf seine Position zurück. Durch das gut gewählte Timing der Aktion auf der Gegenseite kommt der Pass vom RM zu RR im richtigen Moment, so dass sich IL und HL nicht abstimmen können und IL durch das breite Spiel von RR auf einmal zwei Gegenspieler (KM und RR) gegen sich sieht.
von Jens R. / Redaktion: Goetz&Media | Sport