Das olympische Handballturnier: Was wird mit dem 7. Mann?

Olympia ist bereits wieder vorbei und hat auch dem Handball einige neue Kapitel in seinen Geschichtsbüchern beschert. Aus deutscher Sicht war das olympische Turnier in Rio sicherlich ein großer Erfolg. Auf neutraler Ebene zog vor allem die erstmalige öffentlichkeitswirksame Anwendung der neuen Regularien viele kritische Stimmen nach sich.

DHB endgültig in der Weltspitze angekommen

Obwohl als Europameister nach Rio gereist war das deutsche Team unter Leitung von Dagur Sigurdsson in der Pflicht allen zu beweisen, dass der Gewinn der europäischen Krone im Winter keine Eintagsfliege war. Dies gelang dem jüngsten Team des Turniers eindrucksvoll. Einmal mehr stellte man vor allem eine einzigartige Vielseitigkeit und Breite des Kaders unter Beweis. Herausragende Spieler gab es viele, allerdings wechselten diese nahezu von Spiel zu Spiel.

Andreas Wolff bestätigte in vielen Partien seine Stellung als neue deutsche Nummer 1 im Tor, auch wenn es ihm nicht vollends gelang seine Leistungen der Europameisterschaft zu wiederholen. Im Rückraum spielten sich vor allem Fabian Wiede, Paul Drux und Julius Kühn mehrfach in den Vordergrund. Im Gegensatz zur Europameisterschaft zeigte sich das DHB-Team vor allem in der Verwertung von Ballgewinnen über Gegenstöße deutlich verbessert und bewältigte über diese „Waffe“ auch schwächere Phasen im Angriff. Zudem wertete Patrick Wienczek das deutsche Angriffsspiel mit seiner Durchsetzungsfähigkeit am Kreis noch einmal auf.

Schade nur, dass man sich ausgerechnet im Halbfinale gegen Frankreich ganz schwache erste 40 Minuten erlaubte. Eigentlich muss man fast enttäuscht sein, dass es „nur“ zu Bronze gereicht hat, denn wer die Finalbegegnung zwischen Dänemark und Frankreich sah, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Mannschaft mit der kreativsten Spielanlage und größten Unberechenbarkeit bereits zuvor im Spiel um Platz 3 auf dem Feld stand. Aber eben nur „eigentlich“! Der DHB hat sich mit seiner Leistung bei Olympia in der Weltspitze etabliert und weitere Sympathien auch außerhalb der Handballgemeinde erwerben können.

Neue Überzahlregelung sorgt für Unmut

Die auffälligste taktische Veränderung wurde durch die neuen Regularien ermöglicht. Bereits zuvor praktizierten viele Mannschaften die taktische Variante bei Hinausstellungen mit einem zusätzlichen Feldspieler, für den Torhüter eingewechselt, zu agieren. Die neue Regel ermöglichte nun eine scheinbar leichtere Handhabung dieser taktischen Spielart für Mannschaften in Unterzahl und wurde daher auch ausnahmslos von allen Nationen praktiziert.

Was folgte, war ein Turnier mit ungewöhnlich vielen Treffern durch die Torhüter in das verwaiste gegenüberliegende Tor. Dies führte unter anderem dazu, dass weniger Positionsangriffe gespielt wurden und bei vielen die Frage aufkam, ob die Einführung dieser Regelung wirklich einen positiven Beitrag zum Spiel leisten wird. Einige Handballexperten sahen sich bereits genötigt verstärkte Kritik an der Regelung auszuüben und schon wieder über eine Abschaffung zu diskutieren. Prinzipiell sollte man jedoch erst einmal abwarten, wie sich die Regel mit längerer Bestandsdauer auf das Spiel auswirkt und welche taktischen Möglichkeiten vielleicht noch darin schlummern.

Unter anderem agierte Deutschland im Spiel gegen Brasilien auch bei gleicher Spielerzahl mit einem zusätzlichen Mann auf dem Feld und konnte über einen zweiten Kreisläufer die offensive Abwehr der Südamerikaner nach hinten drängen. Ähnlich wie bereits der HBW Balingen-Weilstetten es über viele Jahre unter Rolf Brack praktizierte, könnte diese Form des „3-4“-Angriffs nun verstärkt Einzug in den europäischen Handball halten.

Autor: Robert Nowacki

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