Aus aktuellem Anlass der Handball-WM in Kroatien, Dänemark und Norwegen schauen wir in diesem Artikel noch einmal, wie es denn die Profis in der Praxis machen. Das Spiel ist für den Zuschauer oftmals so schnell, so dass während noch überlegt wird, wie dieser Torwurf nun zu Stande gekommen ist, bereits schon wieder der Gegenangriff startet.
Daher werden hier aus dem Finale Dänemark gegen Kroatien beispielhaft drei gelungene Angriffsaktionen schrittweise erklärt und die jeweiligen Spielsituationen grafisch dargestellt.
Angriff 1: Überzahl Kroatien
Kroatien spielt in Überzahl. Nachdem der Ball in den Reihen der Kroaten einmal durchgespielt wurde, verlagert der Mittelmann mit Ball das Spiel auf die linke Seite. Alles findet in einem sehr moderaten Tempo statt. Der Kreis beschäftigt unterdessen den Abwehrspieler Hinten Links.
RM spielt den Ball zu RL (1), dieser stößt, ebenfalls in moderatem Tempo auf seinen Gegenspieler Hinten Rechts (2). Er spielt den Ball zurück zum anlaufenden RM (3).
Nach seinem Abspiel bleibt Rückraum Links auf 6m und bindet so für einen kurzen Moment Hinten Rechts (4).
Während dessen verstärkt RM sein Tempo und stößt auf den Abwehrspieler HM (4). Der Kreisspieler bindet weiterhin Hinten Links. RM spielt den Parallel-Pass zum im vollen Tempo anlaufenden Rückraum Rechts (5), welcher in die vorhandene Lücke zwischen Hinten Links und Außen Links stößt (6) und mit Torwurf abschließt. Der Kreisläufer setzt sich während des Anlaufens von Rückraum Rechts von seinem Gegenspieler ab (6).
Dem Kreisläufer kommt hier, ohne dass er zunächst aktiv eingreift, eine wichtige Rolle zu. Er muss Hinten Links so beschäftigen, dass dieser nicht schon vorher die Zeit findet, die Lücke zwischen ihm und Außen Links zu schließen.
Dazu kann auch das mögliche Zusammenspiel zwischen Kreis und Rückraum Mitte beitragen, welches bei Ballbesitz RM und einer weiterhin guten Sperre vom Kreis möglich sein kann.
Das Anspiel von RM zu RR muss ein sehr gutes Timing besitzen, so dass RR den Ball in vollem Lauf und einem guten Abstand zur Abwehr erhält und damit die Möglichkeit besitzt, genau in die Lücke zu stoßen. Gleichzeitig muss RR die Abwehr beobachten – eine Option wäre das Anspiel zu RA, falls Außen Links zur Hilfe kommt oder der Rückpass zu RM, falls Hinten Links die Lücke schließt. RM könnte dann ein Anspiel an den abgesetzten Kreis spielen.
Angriff 2:
Überzahl Dänemark:
Dänemark spielt in Überzahl. Es erfolgt zunächst im langsamen Tempo ein Positionswechsel zwischen RM und RR. Rückraum Rechts, hier ein Linkshänder, spielt nun auf der Mitte bzw. beginnt auf Höhe des rechten Pfostens (1). Der Kreisläufer agiert auf der anderen Seite beim Abwehrspieler Hinten Rechts.
Nach dem Wechsel stößt RR (auf Rückraum Mitte) im Spieltempo zwischen die Abwehrspieler Hinten Mitte und Hinten Links (2). Hinten Mitte tritt hervor um RR am Torwurf zu hindern (2).
RR passt den Ball zum im Spieltempo im Bogen über die Mitte anlaufenden RL. Da Hinten Rechts noch durch den Kreisläufer gebunden ist, hilft Hinten Mitte aus, um einen Durchbruch von RL zu verhindern (4). Rückraum Rechts (auf Rückraum Mitte) hat sich derweil nicht aus der Nahwurfzone zurückgezogen, sondern ist nach dem Abspiel zu Rückraum Links an dieser Stelle stehen geblieben.
Nun erhält RR den Ball mit einem kurzen Pass von RL wieder zurück (5) und kann in die vorhandene Lücke zwischen Hinten Mitte und Hinten Links stoßen und mit Torwurf abschließen (6).
Entscheidend ist hier die Torgefahr von RL, dem es gelingen muss, Hinten Mitte zu sich zu ziehen, da Hinten Rechts noch mit dem Kreisläufer beschäftigt ist. So entsteht eine kleine Lücke zwischen HM und HL, die der Mittelmann vor allem deshalb ausnutzen kann, da er nach seinem Abspiel nicht zurück in den Rückraum gegangen ist und somit nur noch einen kurzen Weg bis zum Tor hat.
Angriff 3: Kroatien mit 7. Feldspieler
Kroatien hat einen 7. Feldspieler mit dazu genommen. Neben den Rückraumspielern und den Außen sind zwei Kreisläufer auf dem Feld.
Ein Kreisläufer hat seine Position an der Innenseite von Hinten Rechts, der andere Kreisläufer an der Innenseite von Hinten Links. Der Ball befindet sich auf Rückraum Rechts.
Dieser spielt den Ball zu Rückraum Mitte (1), welcher mit einem bogenförmigen Lauf, das Spiel nach links verlagern möchte (2). Sein Ziel ist der Abwehrspieler Innen Rechts, welcher ihn offensiv verteidigt. Gleichzeitig löst sich der der Kreisspieler von Hinten Rechts und stellt eine Sperre beim heraustretenden IR (3).
RM überwindet die Sperre und spielt zu Rückraum Links (4). KM läuft wieder zurück an den Kreis in Richtung HR, IR folgt ihm (3). Während dessen stößt Rückraum Links auf die Abwehr (5) und RM läuft in Richtung Mitte (6).
RL passt den Ball zu RM (7), darauf hin tritt IL aus der Abwehr heraus um RM zu verteidigen (8). Der Kreisläufer auf der Seite von HL tritt ebenfalls heraus und stellt eine Sperre beim offensiven IL (8).
Rückraum Mitte kann die Sperre auf seiner Wurfhandseite ausnutzen und stößt nun in Richtung HL (9). Dieser tritt heraus, so dass RM den Ball parallel zu RR passen kann, welcher die Gelegenheit hat, zwischen HL und AL durchzubrechen und auf das Tor zu werfen.
Beide Sperren der Kreisläufer entscheiden über den Erfolg dieser Spielhandlung, da dadurch eine Überzahl entstehen kann. Nach der ersten Sperre muss sich hier der Kreisläufer unmittelbar wieder an den Kreis begeben, damit IR ihm folgt und RM nach Ballerhalt von IL verteidigt wird.
Als Variante könnte KM jedoch auch vorne bleiben, während RM dennoch den Bogen in Richtung IL läuft. RL hat derweil den Ball und schließlich eine 1:1-Situation gegen HR, da IR ja nun noch vorne ist.
Bei einem parallelen Weiterspielen von RL zu RM (im Rücken des herausgetretenen Abwehrspielers IR) entsteht eine 4:3 Situation auf der rechten Angriffsseite.
von Jens R. / Redaktion: Goetz&Media | Sport