Gefahr der Überlastung? Ein kritischer Blick auf den internationalen Turnierrhythmus

Wenn zwei Profis die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft absagen, kann dies ja nur einen wichtigen Grund haben.

Henrik Pekeler und Christian Dissinger haben diese Entscheidung bereits frühzeitig öffentlich bekannt gemacht und mit der Angst vor Überlastung und Verletzungen aufgrund einer fehlenden Spielpause im Winter begründet.

Hier offenbart sich ein Problem des europäischen Spitzenhandballs, welches in den vergangenen Jahren immer deutlicher wurde.

Wie viel hält der Profikörper aus?

Geht man bei Spielern wie Dissinger und Pekeler davon aus, dass sie eine Saison fast verletzungsfrei bleiben – wobei verletzungsfrei im Handballsport ja nicht heißt, dass man frei von Verletzungen ist, sondern „einsatzfähig“ (evtl. auch mit Verletzungen) – so spielen diese Akteure insgesamt etwa 60 Partien im Jahr (ohne Test- und Freundschaftsspiele).
Darin enthalten sind 34 Partien in der Bundesliga, ein halbes Dutzend Spiele im DHB-Pokal, fast 20 Spiele in der Championsleague und natürlich noch Qualifikations- und Turnierspiele für die Nationalmannschaft.

Vor allem die neue Regelung der Championsleague mit zwei Achtergruppen und insgesamt 14 Gruppenspielen hat nicht unbedingt zur Entlastung der Spitzenprofis im Handball beigetragen, auch wenn es sich aus finanzieller Hinsicht sicher für die Mannschaften lohnen kann.

Irgendwann so scheint es, kommen die Topathleten an ihre Grenzen, was natürlich vor allem Gefahren der Überlastung birgt und höheres Verletzungsrisiko zur Folge hat. Jeder kennt das: Im Zweikampf nur einmal keine Körperspannung oder verletzt auflaufen und dann eine blöde Bewegung machen und schon ist es passiert.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Profi nicht vom Breitensportler. Auch wenn die Belastungsgrenzen natürlich im Spitzenhandball immens nach oben verschoben werden, es präventive Trainingsmaßnahmen gibt und Regeneration im Mittelpunkt vieler Einheiten steht, hat sich die Belastung im Verbund mit den immer höher werdenden athletischen Anforderungen im Spitzenhandball mittlerweile auf ein Maß gesteigert, an welchem einzelne Spieler wie Dissinger und Pekeler bereits ins Grübeln kommen.

Muss wirklich jedes Jahr ein internationales Turnier stattfinden?

Gerade in den Reihen des deutschen Handballbundes gab es im vergangenem Jahr immer wieder Akteure, welche freiwillig auf ihr Wirken in der Nationalmannschaft verzichteten (u.a. Zeitz, Glandorf, Bitter). Dies hat sicherlich auch viel mit dem Rhythmus der internationalen Turniere zu tun.

Im Fussball gibt es seit je her alle zwei Jahre ein großes Turnier. Im Handballsport hingegen wechseln sich WM und EM jährlich ab. Zusätzlich kommt alle vier Jahre das olympische Handballturnier hinzu. Weiterhin müssen Qualifikationen für diese Wettbewerbe in kürzester Zeit ausgetragen werden.

Somit erhalten viele Nationalspieler nahezu keine Winterpause. Die Verletzungen innerhalb der DHB-Auswahl während des letzten Turniers können natürlich Zufall sein. Doch gerade Spieler wie Weinhold und Dissinger, die mit dem THW Kiel nahezu jedes Jahr in allen Wettbewerben bis zum Schluss vertreten sind, sind die leidtragenden dieses Terminkalenders.

Ein Plädoyer für mehr Regeneration und einen Zwei-Jahres-Rhythmus

Für uns Handballfans ist es natürlich schön, wenn wir möglichst lückenlos unseren Sport auf höchsten Niveau präsentiert bekommen. Aus rationaler Sicht jedoch, könnte dem Spitzenhandball eine kleine Terminentschlackung durchaus zuträglich sein.

Vielleicht würde ein WM/EM-Rhythmus ähnlich wie in anderen Sportarten dazu führen, dass den Turnieren mehr Beachtung zukommt und insbesondere die Hallen in den Spielen häufiger ausverkauft sind.

Vielleicht hätten Trainer mehr Zeit und Ruhe, ihre Spielkonzepte zu entwickeln, Spieler auszutesten und am Zusammenspiel zu arbeiten, damit der Vorteil der Athletik bei den Turnieren nicht mehr ganz so eklatant ausfällt und vielleicht hätte dies alles auch positive Effekte auf die Verletzungszahlen und die Qualität der Liga- und Championsleaguespiele im Saisonendspurt.

Mit Sicherheit würden die Sportler einen solchen Schritt begrüßen, denn auch wenn eine hohe Turnierdichte die Kassen der Verbände klingeln lässt, so ist das wichtigste Grundkapital doch die Attraktivität des Spiels an sich und die ist nur von gesunden Sportlern aufrecht zu erhalten.

Autor: Robert Nowacki

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